Durchschnittshaushalt müsste für neuen Eigenheimkredit 70% des Monatseinkommens aufwenden.
(kunid) Der schnellste Anstieg der Notenbank-Zinsen in der österreichischen Nachkriegsgeschichte, zudem weiter hohe Immobilienpreise in Österreich und rapide sinkende Realeinkommen: Die relativen Kosten für einen Wohnungsneukauf in Österreich sind seit dem Vorjahr regelrecht explodiert.
Musste ein durchschnittlicher Doppelverdienerhaushalt zur Tilgung eines Kredits für eine 90-m²-Neubauwohnung in Wien jahrzehntelang um die 40 % des Monatseinkommens aufwenden, wären es jetzt fast 70 %, zeigt eine aktuelle Analyse des Tarifvergleichsportals durchblicker.
Ein neues Eigenheim in Österreich ist damit innerhalb eines Jahres de facto unfinanzierbar geworden. Das gilt mittlerweile selbst für Besserverdiener.
Immer mehr Haushalte, die in vergangenen Jahren ein Eigenheim mit einem variabel verzinsten Kredit erworben haben, geraten jetzt ins Schleudern.
Selbst Besserverdiener bekämen in Österreich derzeit kaum Wohnungskredite für 90 m² Eigenheim
Für die Untersuchung hat man sich die Preise für eine 90-m²-Wohnung in Wien-Landstraße und die damit verbundenen Kreditfinanzierungsraten von 1997 bis heute angesehen und dem monatlichen Nettoeinkommen eines durchschnittlichen Doppelverdienerhaushalts gegenübergestellt.
Ein Wiener Durchschnittshaushalt müsste demnach mittlerweile theoretisch 69 % seines monatlichen Netto-Monatseinkommens aufwenden, um sich eine solche Neubauwohnung auf Kredit zu leisten.
Selbst in der oberen Einkommenshälfte wären es im Mittel bereits 53 % des Monatseinkommens.
Weil die strengen Kreditvergaberichtlinien aktuell maximal eine Schuldentilgungsquote von 40 % zulassen, erhält damit derzeit in Österreich fast niemand mehr einen neuen Wohnungskredit.
Rechenbeispiel zeigt 1.200 Euro monatliche Mehrkosten bei 2021 abgeschlossenen variablem Kredit
Hat man dieselbe Wohnung bereits 2021 erworben, zahlte man damals für einen variabel verzinsten Kredit im ersten Monat 1.740 Euro zurück. Inzwischen beträgt die Rückzahlungsrate monatlich knapp 3.000 Euro und damit rund 1.200 Euro oder 70 % mehr als zum Abschluss des Kredits. Wer sich die Wette auf baldige sinkende Zinsen nicht mehr allzu lange leisten kann, sollte deshalb jetzt noch rechtzeitig auf einen Fixzinskredit umsteigen.
„Fixzinskredite kosten aktuell sogar weniger als der variable Kredit. Das bedeutet für die betroffenen Haushalte eine unmittelbare Entlastung. Wenn die Zinsen im zweiten Halbjahr noch stärker steigen, könnte für viele ein Umstieg auf einen Fixzinskredit immer schwieriger werden“, warnt durchblicker-Immobilenexperte Andreas Ederer.
Weitere Verteuerung in Sicht – Zinsen für variable Immobilienkredite kratzen an 5-%-Marke
In nur einem Jahr hat die Europäische Zentralbank bis Ende Juni die Leitzinsen von 0 auf 4,00 % angehoben und zuletzt eine neuerliche Anhebung der Leitzinsen auf 4,25 % getätigt.
Wie es im zweiten Halbjahr mit den Leitzinsen weitergeht, ist offen. Experten gehen davon aus, dass die variable Verzinsung von Immobilienkrediten bis Jahresende an der 5-%-Marke kratzen wird.
Anders als in anderen Euro-Ländern haben sich die Immobilienpreise in Österreich davon bisher unbeeindruckt gezeigt. Für eine 90-m²-Wohnung im dritten Bezirk in Wien zahlt man mit rund einer dreiviertel Million Euro aktuell sogar immer noch mehr als vor einem Jahr und drei Mal so viel wie vor 25 Jahren.
Das verfügbare Nettoeinkommen eines durchschnittlichen Doppelverdienerhaushalts hat sich im Vergleich dazu seit 1997 um nur 89 % auf rund 4.250 Euro bzw. in der oberen Einkommenshälfte im Mittel um 93 % auf 5.570 Euro erhöht.
Immopreise müssen sinken, Einkommen steigen
Hätte man 1997 für einen variablen Kredit mit 30-jähriger Laufzeit und 30 % Eigenmitteln im ersten Monat 1.267 Euro bezahlt, wären es heute für die gleiche Wohnung 3.427 Euro.
„In den gesamten 25 Jahren, die wir betrachtet haben, haben die Kreditkosten für Haushalte der oberen Einkommenshälfte zwischen 30 und 40 % des Monatseinkommens gependelt. In nur einem Jahr ist selbst für Besserverdiener die Schuldendienstquote im Mittel von 35 auf 53 % explodiert“, attestiert Ederer.
Zieht man die aktuellen Kreditkosten vom durchschnittlichen Haushaltseinkommen ab und lässt das 13. und 14. Gehalt, das zur Berechnung der Schuldendienstquote herangezogen wird, unberücksichtigt, blieben dem Zwei-Personen-Haushalt pro Kopf und Monat weniger als 500 Euro für weitere Fix- und Lebenshaltungskosten.
„Eine Überarbeitung der Kreditvergaberichtlinien in Österreich ist angesichts dessen dringend geboten, ändert aber nichts daran, dass sich die überwiegende Mehrheit der österreichischen Haushalte damit ein Eigenheim derzeit schlichtweg nicht leisten kann, selbst wenn die Haushalte einen Kredit bekämen“, betont Ederer.
Fixzins-Angebote derzeit günstiger als variable Kredite
Aktuell liegen die günstigsten Konditionen für einen Fixzinskredit mit 10 Jahren Laufzeit bei 3,600 %, für 15 Jahre bei 3,750 %, für 20 Jahre bei 3,700 % und für 25 Jahre bei 3,750 %.
Für variabel verzinste Kredite werden derzeit bereits 4,6 % Zinsen verrechnet.